Mein Homeoffice-Interview mit Katja Kipping

Katja Kipping ist die Bundesvorsitzende der Partei „Die Linke“ und diese gehört zu den vier Oppositionsparteien im Deutschen Bundestag.

Die aktuelle Situation zeigt, dass die Folgen der Pandemie alle gleich betrifft. Wir hätten uns ja alle nicht vorstellen können, wie schnell sich unser Leben ändern kann. Und das nicht nur bei uns in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt.

Deshalb ist es für mich als Schülerin auch mal wichtig zu sehen, was ein/e Politiker/in im Deutschen Bundestag dazu sagt. Und dass ich eine der wichtigsten Oppositionspolitikerinnen dafür gewinnen konnte, freut mich natürlich um so mehr. Obwohl ich sagen muß, dass ich mit Katja Kipping in der Vergangenheit schon einige Gespräche über jungendpolitische Themen führen konnte.

Was eine Opposition allgemein ist, habe ich übrigens HIER schon mal beantwortet!

Video-Grüße aus dem Homeoffice von Katja Kipping:

DAS INTERVIEW

War in der Vergangenheit im Bundestag so etwas wie ein „Notfallplan einer Pandemie“ eigentlich schon mal ein Thema oder wurde die Politik da „kalt“ erwischt? Katja Kipping: Ich kann mich an eine derartige Situation nicht erinnern. Sicher hatten wir es in den letzten Jahren auch mit anderen Epidemien zu tun – aber mit nichts vergleichbarem, das mit einer solchen Wucht und einem solchen Tempo über die Welt kam. Für die Politik sind da schon immer die Regelungen des Infektionsschutzgesetzes maßgeblich, das ja jetzt auch erstmals in diesem Ausmaß zur Anwendung kommt.

Natürlich stellt sich die Frage nach der politischen Verantwortung. Auch wenn in der Bundesregierung viele überrascht sind – sie sollten es nicht sein: Seit Jahren warnen Experten vor der Gefahr einer Pandemie. So ging 2013 ein Bericht zur Risikoanalyse zu Pandemien durch den Bundestag. Seit Jahrzehnten haben wir den neoliberalen Raubbau am öffentlichen Gesundheitssystem beklagt. Doch natürlich gilt es jetzt zunächst die akuten Probleme zu lösen und eher nach vorn zu schauen als zurück.

Gibt es im Bundestag eine Prognose oder Einschätzung für die nächsten Monate, wie es mit dem Thema Ausgangsbeschränkung weitergehen soll? Katja Kipping: Das ist im Moment eher ein Blick in die Glaskugel. Natürlich wünscht sich jeder – Politiker*innen sind da keine Ausnahme – dass es schnell vorbeigehen möge. Aber dem Virus sind ja unsere Wünsche egal. Und wer will denn die Verantwortung dafür übernehmen, dass nach einer zu frühen Lockerung der Maßnahmen die ganze Sache von vorn beginnt?

Der epidemische Notstand wurde jetzt für ein Jahr ausgerufen!

Mir ist in dem Zusammenhang wichtig, auf ein großes Problem hinzuweisen: Die Schutzmaßnahmen sind zwar allgemeingültig, aber sie treffen uns nicht unterschiedslos. Die soziale Spaltung, die unser Land durchzieht, zeigt sich auch in diesem Moment: Es ist ein Unterschied, ob die Ausgangsbegrenzung jemanden trifft, der eine geräumige Altbauwohnung bzw. ein Haus mit Garten hat. Oder ob sie jemanden trifft, der kinderreich auf engstem Raum ohne Balkon leben muss bzw. allein in einem Pflegeheim mit Besuchssperre. Es ist ein Unterschied, ob Kinder beim Homeschooling auf überambitionierte und manchmal nervende Eltern treffen oder ob mit der Schulschließung auch ihr sonst täglicher Schutzraum vor häuslicher Gewalt verschlossen ist.

Soziale und finanzielle Sicherheit für Menschen die ihren Arbeitsplatz durch die Folgen der Pandemie verlieren ist für sehr viele das wichtigste Thema. Was sagen Sie zu diesen Menschen und welche Folgen hat das für die Politik? Katja Kipping: Das ist zur Zeit – nach dem medizinischen – das größte Problem. Man kann schon jetzt sagen, dass viele, vor allen Dingen kleinere Unternehmen und ihre Beschäftigten, nach dieser Krise vor einem Scherbenhaufen stehen werden, bzw. jetzt schon stehen. Hier muss in der Politik, aber auch in der Gesellschaft ein Umdenken einsetzen. Vielen Menschen wird erst jetzt klar, wie nahe am ökonomischen Abgrund sie immer gearbeitet haben und wie schnell man auf die Solidarität der Gesellschaft angewiesen sein kann – ohne daran persönlich schuld zu sein. Ganz kurz gesagt: Kein einziger Mensch darf hier allein gelassen und in seiner Existenz gefährdet werden. Mit der Stigmatisierung und Schikanierung von Menschen auf Grund ihrer ökonomischen Situation muss endgültig Schluss sein. Für die Politik und für jeden Einzelnen in der Gesellschaft. Dazu müssen wir die bestehenden sozialen Sicherungssysteme ausbauen und krisenfest gestalten. Es ist kein Zufall, dass angesichts der aktuellen Einkommenseinbrüche die Idee eines solidarischen Grundeinkommens enormen gesellschaftlichen Rückenwind erhält. Die Krise führt uns schließlich vor Augen, wie schnell man vor dem Aus stehen kann. Wie auch immer wir das Instrument nennen, entscheidend ist, dass alle garantiert vor Armut geschützt sind, dass niemand Angst haben muss, ins Bodenlose zu fallen.

Die Anhebung des Verdienstes für Menschen die im medizinischen bzw. sozialen Bereichen und im Lebensmittelverkauf arbeiten ist ohnehin längst überfällig und es ist ein guter Zeitpunkt, dies auch mit Nachdruck zu fordern. Für ein Dankeschön, einen warmen Händedruck oder einen Orden kann sich niemand etwas kaufen. Wir fordern als Sofortmaßnahme einen monatlichen Aufschlag für alle Engel des Alltags von 500 Euro.

Auch wir Schüler wünschen uns trotz Schulschließungen natürlich Sicherheit was den Abschluss des Schuljahres bzw. Abitur Abschlussprüfungen betrifft. Katja Kipping: Das wichtigste vorab: Wir brauchen hier eine bundesweit einheitliche Regelung.

Als Mutter denke ich natürlich an die vielen Schülerinnern und Schüler, die sich jetzt Monate lang vorbereitet haben und nun gerne die Prüfungen hinter sich bringen wollen. Aber als Sozialpolitikerin weiß ich, dass die Schulschließung und die Ausgangsbegrenzungen die sozialen Unterschiede verstärken. Nicht alle haben zu Hause gute Bedingungen um sich auf Prüfungen vorzubereiten. Es gibt leider Familien, da ist ständig was los, da läuft der Fernseher, nicht alle haben ein eigenes Zimmer, um sich zurückziehen zu können. Und mögliche Rückzugsräume wie Bibliotheken sind geschlossen. Deshalb tendiere ich dazu, dass die Prüfungen verschoben werden. 

Ein Interview von Livia Kerp

Katja Kipping jeden Freitag auch im Live-Chat – LINK

Livia Josephine

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