So habe ich den Amoklauf in München erlebt

Aus meiner Kolumne für das Online-Magazin LangweileDich.net

München, Olympiazentrum, Freitag am 23. Juli 2016 – So war es für mich persönlich.

Einen Tag den ich niemals vergessen werde. Ich möchte hier zeigen, wie ich diesen Tag erlebte. Da ich es ziemlich nah miterlebt habe und das Schreiben mir dabei hilft, es besser zu verarbeiten. Ich will auch zeigen, wie ich mich dabei fühlte aber auch meine Gedanken darüber, ein paar Tage danach.
Nur ein paar Stunden vor den schrecklichen Amoklauf im OEZ war ich mit meiner Schulklasse ganz in der Nähe des späteren Tatortes. Meine Welt und die Welt von uns allen war zu diesem Zeitpunkt noch in Ordnung. Wir hatten viel Spaß und haben den Schulausflug im Olympiapark dann gemütlich ausklingen lassen. Zu diesem Zeitpunkt bereitete sich der 18-jährige Amokschütze schon vor um in Richtung Olympia Einkaufszentrum zu fahren. Alleine schon, wenn ich daran denke, läuft es mir kalt den Rücken herunter.

Gegen 18.00 hat er angefangen, um sich zu schießen… Ich war genau um diese Uhrzeit mit meinen Eltern in der Nähe des Hauptbahnhofes bei einem Sommerfest in der Gaststätte Augustiner Keller. Um 17.30 fuhren wir mit der U-Bahn zum Hauptbahnhof. Das Sommerfest war fröhlich und ausgelassen. Meine Familie, meine Freundin und ich hatten viel Spaß.
Aber irgendwann hat plötzlich jemand gesagt, dass ein Anschlag in München verübt wurde. Kurze Zeit später hieß es sogar, dass es 3 Anschläge in München gab. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir ja nur diese Information und keine Ahnung was wirklich passierte. Also wussten wir nur, dass es jeweils einen Anschlag im OEZ, am Stachus und in der Nähe des Hauptbahnhofes gab. Dann kam noch hinzu, dass immer wieder Hubschrauber über uns hinweg flogen und überall gab es Sirenen zu hören. Dann kam die Information, dass es wohl einige Opfer gab und dass alle U- u. S-Bahnen gesperrt wurden.
Die Atmosphäre in dem Lokal hatte plötzlich etwas total Gespenstisches. Alle starrten nur auf ihre Handys. Es wurde immer ruhiger. Aus einer fröhlichen Feier wurde plötzlich ein bedrücktes Zusammensein. Auch ich wurde über unsere WhatsApp Klassen-Gruppe ständig mit neuesten Informationen versorgt. Plötzlich stürmte eine junge spanische Touristin in unser Lokal und sagte weinend und aufgelöst, dass sie eben gesehen hätte wie ein Mensch erschossen wurde. Mein Freundin und ich verkrümelten uns in eine ruhige Ecke des Lokals und schauten einfach nur total ängstlich auf unsere Handys und hofften, dass der Albtraum bald enden würde. Aber als ich dann plötzlich sah, wie eine erwachsene Frauen in Tränen ausbrach, bekam ich eine Angst die ich zuvor so noch nie hatte.
Alle diskutierten wie man ohne den öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause kommen könnte, denn es war ja alles gesperrt. Dann haben wir uns gegen 21.30 dazu entschlossen, zu Fuß nach Hause zu gehen. Es war eine ganz komische Situation, weil fast keine Autos zu sehen waren. Aber dafür viele Menschen, die trotz Regen zu Fuß unterwegs waren. Meine Unsicherheit wurde bei jedem Schritt größer, besonders wenn uns Menschen mit Rucksäcken begegneten. Es war einfach nur furchtbar. Wir wussten zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht, was wirklich passiert war. Alles, was wir wollten, war, sicher nach Hause zu kommen.
Ungefähr auf halber Strecke wurden wir dann von dem Vater einer meiner Freundinnen mit dem Auto abgeholt und sicher nach Hause gefahren. Was mir dann auch gezeigt hat, was Hilfsbereitschaft wirklich für einen selber bedeuten kann. Die ganze Nacht habe ich mir viele Gedanken gemacht, besonders über die Frage „Was wäre, wenn…?“. Was wäre, wenn ich nur etwas später im Olympiagelände gewesen wäre…
Als ich dann am nächsten Tag gelesen habe, was wirklich passierte und dass viele der Opfer in meinem Alter waren, wurde mir richtig schlecht. Ich kann einfach nicht glauben, dass jemand fähig ist, Jugendliche in meinem Alter so einfach zu erschießen. Warum?
Jetzt mit ein paar Tagen Abstand, empfinde ich nicht nur viel Traurigkeit und Hilflosigkeit sondern auch viel Wut. Wut dem Täter gegenüber, aber auch der Situation die aus einem Kind erst einen Täter gemacht hat. Ich weiß nicht genau, warum er diesen abscheulichen Anschlag verübt hat oder warum er diese großen, persönlichen Probleme hatte.

Für mich ist nur wichtig, dass man jetzt darüber nachdenkt, etwas zu verändern. Es kann sich viel verändern, egal ob in der Schule, in der Familie oder in der Politik. Ich hoffe es wirklich sehr.

Ich habe ganz großes Mitgefühl mit den Familien der Opfer und wünsche ihnen alle Kraft der Welt.

Livia Josephine

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