Livia trifft Bundespräsident a.D. Christian Wulff

Mein Top-Interview in diesem Jahr ist auf alle Fälle mein Treffen mit unserem ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff. Ich habe Herrn Wulff ja schon beim RTL Com.mit Award kennengelernt und da haben wir ausgemacht, dass wir uns treffen, wenn er mal in München ist um über meine gesellschaftspolitischen Jugendthemen zu sprechen. Jetzt war es soweit. Herr Wulff ist extra während meiner Mittagspause zu meinem Lieblingscafé in der Nähe meiner Schule gekommen und da hatten wir, bei einem leckeren Kaffee, ein super Gespräch. Es war schon ein echt cooles Gefühl, sich mit einem so großen Politiker zu treffen. Herr Wulff war ja nicht nur Bundespräsident sondern auch viele Jahre Ministerpräsident von Niedersachsen und außerdem unterstützt Herr Wulff Jugendliche, die sich für ihre Zukunft interessieren und einsetzen.

Das war auch gleich das erste Thema von mir. Da Herr Wulff auch Schirmherr vom RTL Com.mit Award ist. Denn ich finde es echt super, dass es diese Plattform für Jugendliche gibt. Wie ist es eigentlich dazu gekommen, dass Sie Schirmherr des Com.mit Awards geworden sind?
Herr Wulff: Die Schirmherrschaft wechselt beim Com.mit Award jedes Jahr und dieses mal sind sie an mich herangetreten und ich habe auch sofort zugesagt. Weil ich davon überzeugt bin, dass jetzt junge Leute wieder viel stärker sich für die Demokratie einsetzen müssen als vielleicht vor 10 oder 15 Jahren.

Sie sagten ja mal: „Jede Generation müsse sich die Bedingungen, zu denen sie leben wolle, selbst erarbeiten, es komme auf jede und jeden an.“ Aber sollte dann nicht auch jeder Jugendliche, der will auch die Chance bekommen in der Politik dafür gehört zu werden? Warum ist es nicht möglich als 16-Jährige kommunal also zum Beispiel beim Stadtrat mehr Mitspracherecht zu bekommen oder was müsste sich ändern damit ich das bekomme?
Herr Wulff: Grundsätzlich bedeutet Demokratie ja alle Macht geht vom Volke aus und deswegen soll das Volk durch Wahlen und Abstimmungen bestimmen wie sich die Stadt in der man lebt, wie sich das Land in dem man lebt und wie sich Deutschland entwickelt. Ich selber finde das kommunale Wahlrecht ab 16 Jahren gut, bei Landtagswahlen habe ich meine Zweifel und bei der Bundestagswahl bin ich dagegen, weil Rechte und Pflichten im Einklang stehen sollen. Denn derjenige, der Steuern zahlt, volljährig ist und für sein Tun voll haftet, der soll damit verbunden auch das Wahlrecht haben. Ich denke, wenn man das Wahlrecht entkoppelt von Rechten und Pflichten, dann ist das nicht unproblematisch. Aber auf jeden Fall sollten auch schon 14-Jährige gehört werden. Ich bin ja damals als 14-Jähriger aktiv geworden in der Jungen Union und habe sehr darauf gedrungen, dass die Interessen von uns Schülern auch von den Erwachsenen wahr genommen werden. Das kann man zum Beispiel als Schülersprecher oder durch Unterschriftensammlungen oder Auftritte bei Parteitagen, damit den Erwachsenen klar wird, wir sind auch da und wir haben unsere Vorstellungen und wollen, dass diese beachtet werden. Grundsätzlich habe ich das Gefühl, dass die Wahl von Donald Trump als US-Präsident und der Brexit in Großbritannien in den jungen Leuten etwas verändert hat. Es zeigt, dass es nicht selbstverständlich ist, dass alles gut wird und alles gut bleibt, sondern dass eine positive Entwicklung in Europa nicht unumkehrbar ist und in einer Demokratie auch nicht automatisch ein berechenbarer Präsident gewählt wird. Diese Erkenntnis zeigt jungen Leuten, dass sie sich wieder stärker um ihr Land kümmern und mehr Verantwortung dadurch übernehmen müssen. Das ist etwas Neues und das will ich fördern, dass sich Jugendliche wieder verstärkt in den Jugendparteien der Jungen Union, Jungen Liberalen, Jungen Sozialisten oder der Grünen Jugend anschließen, damit wir als Deutschland ein berechenbarer Faktor bleiben und es so vielleicht auch in Ländern wie den USA, Frankreich oder in England wieder zu Prozessen kommt, dass man den Radikalen nicht das Feld überlässt.

Für mich ist ja nicht nur das Wahlrecht ab 16 sondern auch das Schulsystem und der Lehrplan ein großes Thema. Ich habe schon mal meine Gründe geschrieben -LINK-, warum ich eine Einführung des Schulfaches „Politik“ gut finden würde. Denn so kann man Jugendliche zu den wichtigen gesellschaftspolitischen Themen hinführen und so könnten sich Jugendliche viel besser für Dinge wie das „Wahlrecht ab 16“ einbringen. Oder wie sehen Sie das?
Herr Wulff: Ich würde mich jetzt nicht versteifen auf die Bezeichnung des Unterrichtsfaches. Denn es gibt natürlich gute Gründe für ein Fach Politik, es gibt aber gute Gründe für alle anderen Fächer wie Sozialkunde, Mathematik oder Informatik. Aber entscheidend ist doch, dass Staatsbürgerkunde, also eine Vorbereitung auf das Leben, das eigentliche Anliegen der Schulen sein müsste. Wenn man junge Menschen auf die Zukunft vorbereiten will, muss man in der Schule Themen wie gesunde Ernährung oder gesundes Leben genauso besprechen wie die Frage, wie die Frage, wie man wählt oder sich wählen lassen kann und warum Demokratie wichtig ist. Unabhängig von der Bezeichnung der Fächer muss dafür genug Raum sein. Hier, glaube ich, ist Kritik junger Leute berechtigt, dass sie zu viel lernen was sie später nicht mehr brauchen und zu wenig von dem lernen, was sie auf jeden Fall brauchen. Der Umgang zwischen den Generationen und das Verhalten als Bürger in einer Demokratie, das braucht man auf jeden Fall. Da ist deine Fragestellung genau richtig, wir wollen in der Schule etwas über das richtige Leben und das, was auf uns zukommt erfahren.

Ich glaube ja nicht, dass sich das Schulsystem in Deutschland ändern wird da es eben Ländersache ist. Aber ein einheitlicher und somit fairer Lehrplan in ganz Deutschland müsste doch möglich sein. Warum denken Sie ist das so schwierig umzusetzen und warum werden wir Schüler dazu auch einfach nicht so ernst genommen?
Herr Wulff: Ich glaube bei einer Volksabstimmung wären 80% der Deutschen dafür, dass man das Schulsystem innerhalb eines Bundesbildungsministeriums zentralisiert. Ich bin lange Ministerpräsident und Landespolitiker gewesen und aus meiner Sicht ist die Zentrallösung dann gut, wenn sich da ein gutes Schulsystem mit einem guten Lehrplan durchsetzt. Was passiert aber wenn sich ein schlechter Bundesbildungsminister mit einem schlechten Schulsystem und Lehrplan durchsetzt? Jetzt ist es so, dass sich viele Bundesländer an das Schulsystem von Thüringen und Sachsen orientieren, weil diese die besten Ergebnisse mit ihrem Schulsystem erzielen. Und sich an die Besten zu orientieren ist doch auch nicht das Schlechteste.

Was aber mich dabei stört ist auch eine Aussage von Frau Merkel bei dem YouTuber Interview vor der Wahl. Hier hat sie zu dem Thema gesagt, dass die bayerischen Schüler vielleicht auch ein einfacheres Schulsystem wollen. Das fand ich schon gemein, da hier die YouTuberin Lisa Sophie mit ihrem Channel „ItsColeslaw“ nur gemeint hat, dass wir ein gerechtes und faires Schulsystem wollen, das für alle in Deutschland gleich ist und jeder einen vergleichbaren Schulabschluss bekommt. Meine Kritik darüber kann man auch gerne HIER lesen. So wie es jetzt ist empfinde ich es als unfair, also warum ist es nicht möglich?
Herr Wulff: Es gibt tatsächlich zwei große Probleme mit der großen Vielfalt an Schulsystemen zwischen den Bundesländern. Das eine Problem sind diejenigen, die zwischen den Bundesländern umziehen und die Schule wechseln müssen. Das ist ein Problem das sich durch abstimmende Lehrpläne verringern soll. Das zweite Problem ist, dass Abiturienten aus Bundesländer mit nicht so hohen Leistungsanforderungen bessere Abitur-Durchschnittsnoten haben als zum Beispiel die aus Bayern, weil hier vielleicht bessere Noten seltener vergeben werden. Das ist dann unter Umständen bei Bewerbungen für ein Medizinstudium ein Nachteil für die Bayern, aber für alle Studiengänge, die nicht an Noten gebunden sind haben eher ein Vorteil. Weil sie nämlich schneller im Studium zurechtkommen und sich schneller im ersten Semester zurecht finden, da sie weniger Wissenslücken schließen müssen.

Sie haben ja als Bundespräsident sehr viele Politiker auch aus dem Ausland kennengelernt. Haben Sie noch Kontakt zu dem einen oder anderen Staatschef und was redet man eigentlich so, wenn man sich dann mal wieder trifft?
Herr Wulff: Mit den Politiker die ich jetzt noch treffe, unterhalte ich mich als erstes über Privates, also wie es den Familien geht oder auch wie es in den Ländern dieser Politiker weitergegangen ist, denn oft sind Freundschaften entstanden die über das Amt hinausgehen. Ich war zum Beispiel diesen Monat in Katar und habe da viele Politiker getroffen und in wenigen Tage fahre ich nach Italien und werde dort auch wieder mit europäischen Politikern reden, und man tauscht sich einfach aus zur Lage des jeweiligen Landes. Ich werde zum Beispiel oft gefragt, was Jamaika für Deutschland heißt oder wie es um die deutsch-französische Freundschaft steht. Und natürlich frage ich andererseits meinen Freund, den früheren türkischen Präsidenten Abdullah Gül, wie es in der Türkei weitergeht und wann endlich die inhaftierten Journalisten freigelassen werden.

Zum Abschluss habe ich noch eine ganz wichtige Frage. Also was passiert gerade mit Donald Trump und Nordkorea, muss ich Angst haben? Ich meine warum hat Nordkorea eigentlich Atomwaffen? Wir Jugendliche haben vor diesem Konflikt tatsächlich am meisten Angst. Wie sehen Sie die ganze Sache?
Herr Wulff: Über Nordkorea und seine Atomwaffen machen wir uns seit Jahren größte Sorgen. Es hilft eben nicht nur zu schimpfen und zu drohen oder zu blockieren, sondern man muss auch Wege suchen, im Gespräch zu bleiben. Wir brauchen vertrauensbildende Maßnahmen, Kontakte und ein Zusammenstehen der Weltgemeinschaft. Das wichtigste beim Thema Nordkorea ist, dass wir eng mit unseren chinesischen Freunden zusammenarbeiten und mit der Führung von Nordkorea im Gespräch bleiben. Dass sie abrüsten und dass sie sich zurückziehen aus dem jetzigen Bedrohungspotenzial. Es ist allerdings sehr schwierig wenn Staatschefs nur an sich selber und an die eigene Machtabsicherung denken. Das ist eine Entwicklung, die sich kolossal geändert hat. Vor 27 Jahren haben die Skorpions „Wind of Change“ gesungen. Damals fielen Mauern, es vereinte sich Europa und damals spürte man tatsächlich die Freiheit in der Luft. Und jetzt, über 25 Jahre später, haben wir wieder eine „Wind of Change“-Situation, aber in Richtung Nationalismus, Neid, Hass und Angst. Das ist eine sehr betrübliche Erfahrung, die letztlich darin mündet, dass jeder sagt, Türkei zuerst, Russland zuerst, America first, weniger Europa. In allen Ländern gibt es einen wachsenden Nationalismus. Wir und vor allem die junge Generation müssen sagen, die großen Probleme unserer Zeit sind nur lösbar durch mehr internationale Zusammenarbeit. Terror-Bekämpfung, Klimawandel, Welternährung, Frieden und wirtschaftliches Wachstum in der Welt sind nur gemeinsam zu bewältigen. Die Probleme, die wir haben, sind nur gemeinsam lösbar oder gar nicht. Die entscheidende Frage ist, wo sich die junge Generation in deinem Alter in Zukunft positionieren will: Wollt Ihr Euch in den anderen hineinversetzen, Brücken bauen, für Verständigung sorgen oder wollt Ihr Mauern bauen und Euch abschotten. Wenn deine Generation sich in den nächsten Jahren engagiert und für Empathie und Offenheit votet, wird die Zukunft in Europa sicherer. Das ist meine Überzeugung und deswegen mache ich auch mit dir gerne das Interview für deinen Blog. Denn man muss sich in der Demokratie engagieren und man muss sich positionieren. Die schwächste Form davon ist wählen zu gehen und die beste Form ist, selber aktiv zu werden, sich wählen zu lassen.

 Beim RTL Com.mit Award im September. Hier mit Moderatorin Laura Wontorra und Herrn Wulff

Das Gespräch mit unserem früheren Bundespräsidenten hat mir sehr viel Spaß gemacht, vor allem konnte er mir sehr viel Angst nehmen, gerade zu den Themen „Trump und Nordkorea“. Ich möchte mich bei Herrn Wulff herzlich für das offene und sehr ausführliche Interview bedanken. Auch für seine Unterstützung gerade bei diesen Themen, die für uns Jugendliche wichtig sind. Denn ich hoffe, dass diese in Zukunft ernster genommen werden.

Livia Josephine

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